Media – vom Mikro zur Kettensäge

Vom Mikro zur Motorsäge – die zweite Karriere von Pia Lund („Phillip Boa & the Voodooclub“)

Hoi, das ist fett … „Die Wiedergeburt des Holzes“ auf DER WESTEN – Das Portal der WAZ Mediengruppe :: Link

TOUCH – der Tastsinn in der Kunst

Ein Film von Pia Bohr / Musik: Pia Lund//BIOS23

Die Maserung erzählt eine Geschichte

Von Matthias Hagedorn, Januar 2013

„Paragone“ heißt der Wettstreit der Künste. Das intellektuelle Projekt, die Rangfolge der klassischen Disziplinen Malerei, Bildhauerei und Architektur festzulegen, wurde in der Renaissance Italiens geboren. Während die Maler auf ihre illusionistischen Fähigkeiten verwiesen, punkteten die plastischen Künstler mit der Vielansichtigkeit ihrer Werke. Für das Medium der Bildhauerei hat sich Pia Bohr für den Holzweg entschieden.

Die Bildhauerin Pia Bohr schält das Holz mit einem Stechbeitel, welcher auf direktem Wege das Geheimnis freilegt. Sie bearbeitet das Material mit einer erotisch grundierten Spiritualität wie den Apfel der Liebe oder den Pfirsich der Lust. Analog zu ihrer Arbeit als Musikerin lauscht sie in das Material hinein, als sei es ein Gefäß, in dem sich die Energien bereits gesammelt haben. Statt zu predigen, lässt Bohr mit jener Passivität, die ihre Form weiblicher Hingabe darstellt, die Welt durch sich hindurch sprechen.

Die Maserung erzählt eine Geschichte. Als Synergetikerin hört Pia Bohr zu: „Ich nehme Kontakt auf mit dem Holz“, erklärt die Holzbildhauerin den ersten Schritt dieses Schaffensprozesses. Zu Beginn weiß die Artistin oft nicht, wie die Skulptur am Ende aussehen wird. Holz, rein als Material besehen, steckt voller Überraschungen, es ist vielgestaltig formbar. Ihr Hinterhofatelier war früher Teil der Geburtsstation der Städtischen Kliniken, hier wurden Babys geboren, nun sind es ihre Skulpturen, die das Licht der Welt erblicken. Es entstehen neben Frauen- und Männertorsi in der Regel: Liegende, Liebende – und neben abstrakten Arbeiten auch eigentümliche Urtiere, welche alle ihre eigene Geschichte haben.

Pia Bohr arbeitet zumeist von Grob nach Fein mit Kettensäge, Spezialfräsen, bis hin zu feinstem Schleifpapier. Abgeschlossen ist ihre Arbeit erst dann, wenn ein harmonisches Ganzes entstanden ist. Ein großes Glücksgefühl bedeutet für die Holzbildhauerin die letzte Phase des Einölens, befreit vom Staub wird die Skulptur zum Atmen freigegeben. Viele ihrer Torsi sind glatt, die Maserung zeigt sich sehr deutlich und ähnelt teilweise Äderchen, Fleisch, der Haut. Die körperlichen Rundungen lassen sich mit der Hand nachfühlen. Obwohl ihre Skulpturen physisch oft unvollkommen sind, strahlen sie neben ihrer Empfindsamkeit auch Kraft aus, sie räkeln sich, sie streben, sie erzählen von Sehnsucht, Glück und Harmonie.

Pia Bohr leistet sich den Luxus, mit ausgesuchten, lang abgelagerten Hölzern zu arbeiten, am liebsten sind ihr ligurisches Olivenholz, heimische Obsthölzer, Goldregen, Walnuss und Eukalyptus. Wenn sie beginnt, lässt sie oftmals nur eine grobe Idee als Ausgangsbasis zu, durch die Maserung, den Faserverlauf und auftauchende Astlöcher undsofort bestimmt das Holz während des gesamten Arbeitsablaufs seine Neuentstehung mit. Die Bildhauerin geht auf diesem Weg eine Kommunikation ein, der Baum ist nicht tot, er will nach wie vor seine Seele und Geschichte mit in der kreativen Phase zum Ausdruck bringen.

„Die Farben im Gemälde sind eine Falle, um das Auge zu überzeugen, wie der Charme der Verse in der Poesie“, schrieb Poussin, und „poetisch“ ist das Wort, das Pia Bohrs Werk am besten beschreibt. Was sich bei ihren Solo-Projekten Lundaland, Gift und dem Remix–Album La Folie Angelique musikalisch entfaltet, setzt sich auch in ihrer Arbeit als Bildhauerin fort. Biomorphe Formen beherrschen ihre Bildsprache. Diese Artistin nimmt Bezug auf neue Tendenzen in der künstlerischen Auseinandersetzung mit Aspekten des Lebendigen und konzentriert sich dabei besonders auf Holzskulpturen, die explizit biologisches Formenvokabular darstellen. Das Geometrische tritt zurück, in manchen Plastiken verschwindet es sogar ganz. Diese freien Formen wirken wie ein Antidot auf jene Ornamentik, die sie auch in ihren Songs vermeidet, weil sie lediglich um ihrer selbst Willen bestehen.

Das Heilige und das Obszöne liegen in ihrem Schaffen dicht beieinander. In ihrem Video, das auf ihrer Homepage steht, lernen wir die Doppelbegabung einer Sirene zu schätzen. Einem Song von Pia Lund* mit vollem Herzen zu lauschen, erfordert eine gewisse Leidensbereitschaft. Es ist fast so, als ob man sich ein Tattoo stechen lässt: Es kribbelt, es brennt, die Stiche gehen unter die Haut, aber diese Schmerzen gehören zum Preis der Schönheit.